Branchen
Durch die systematische Anwendung von Ecodesign-Prinzipien auf Software und digitale Produkte können versteckte Umweltauswirkungen von vernetzten digitalen Produkten effektiv angegangen werden. Oft werden hierdurch erhebliche Verbesserungen beim Energieverbrauch in Datenzentren erzielt, ohne Funktionen oder technische Eigenschaften beim Produkt einzuschränken. Stattdessen liegt der Fokus auf kritischen Details bei Designparametern. Interdisziplinäre Zusammenarbeit, gezielte Analyse dieser Parameter und datengesteuerte Verbesserungen bilden die Grundlage für die Entwicklung intelligenter und nachhaltiger Softwarelösungen. Bei Helbling sind solche Ecodesign-Prinzipien ein integraler Bestandteil der Projektarbeit in verschiedenen Branchen, um nachhaltige Ergebnisse bei der Entwicklung innovativer Produkte zu gewährleisten.
Der wachsende Energieverbrauch digitaler Dienste
Cloud-Speicher, die jederzeit und von überall Zugriff ermöglichen, ortsunabhängiges Streaming von Medien, das Teilen von hochauflösenden Fotos oder KI-gestützte Chatbots anstelle herkömmlicher Suchmaschinen – verschiedene digitale Lösungen sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Diese fortschrittlichen Anwendungen bringen jedoch ökologische Herausforderungen mit sich. So hat die wachsende Nachfrage nach digitalen Diensten zu einem erheblichen Anstieg des Stromverbrauchs von Rechenzentren geführt.
Die untenstehende Grafik veranschaulicht diesen Trend: Zu sehen sind der geschätzte Stromverbrauch von Rechenzentren und ihr Anteil am Gesamtstrombedarf in verschiedenen Regionen für das Jahr 2022 sowie Prognosen für 2026.
Ecodesign für digitale Produkte verstehen
Wer an Ecodesign denkt, verbindet damit häufig in erster Linie physische Produkte: Stichworte sind etwa Materialien mit geringer Umweltbelastung, minimale Abfallerzeugung oder nachhaltige Produktionsprozesse. Dieselben Prinzipien können und sollten jedoch auch auf digitale Produkte angewendet werden. Wie bei Ecodesign von physischen Produkten fordert Ecodesign von Softwarelösungen, dass die wichtigsten Faktoren für die Umweltbelastung identifiziert und systematisch berücksichtigt werden.
Bei Helbling ist Ecodesign ein Kernelement bei der Entwicklung von Produkten. Durch die Integration von Ecodesign-Prinzipien in verschiedenen Projekten stellt Helbling sicher, dass Energieeffizienz, Ressourcenoptimierung und Nachhaltigkeit bereits in den frühen Entwicklungsphasen Priorität haben. Dieser Ansatz wurde erfolgreich in Bereichen wie der Industrieautomation, Medtech und IoT-Lösungen umgesetzt.
Dieser strukturierte Ansatz folgt drei Hauptschritten: Erstens die Identifizierung der wichtigsten Faktoren der Umweltbelastung, zweitens die Verknüpfung der Umweltbilanz mit den wichtigsten Designparametern und drittens die Interpretation des Systems, um gezielte Verbesserungen zu entwickeln.
1. Identifizierung der wichtigsten Treiber für Umweltbelastungen
Digitale Produkte und die ihnen zugrunde liegenden Systeme sind von Natur aus komplex. Daher sind interdisziplinäre Teams für die Entwicklung sinnvoller Lösungen von entscheidender Bedeutung. Ein umfassendes Verständnis der Systemarchitektur ist wichtig, um die wichtigsten Faktoren für die Umweltauswirkungen ermitteln zu können. Dies kann mithilfe einer Screening-Lebenszyklusanalyse (Screening LCA) erreicht werden: Diese legt die Hauptquellen für Emissionen und Energieverbrauch offen.
Bei physischen Produkten lassen sich die Auswirkungen in der Regel auf bestimmte Komponenten zurückführen, und es ist klar erkennbar, welche Teile am meisten für die Umweltauswirkungen eines Systems verantwortlich sind. Bei digitalen Systemen hingegen sind die Umweltauswirkungen in erster Linie auf den Energieverbrauch in Rechenzentren zurückzuführen, der von zahlreichen Faktoren beeinflusst wird.
Die Umweltauswirkungen digitaler Systeme können in Bezug auf eine bestimmte funktionelle Einheit berechnet werden. Während diese funktionelle Einheit im Fall von Streaming-Diensten ein Gigabit hochgeladener Daten sein kann (d. h. Umweltauswirkungen pro Upload von einem Gigabit), könnte diese Einheit im Fall anderer Cloud-Dienste eine Stunde Rechenzeit sein.
2. Verknüpfung von Umweltfussabdrücken mit Designparametern
Sobald die Umweltauswirkungen der Funktionseinheit bekannt sind, müssen sie den Funktionen des digitalen Systems zugeordnet und schließlich mit den wichtigsten Designparametern verknüpft werden. Der für Modellierung und Analyse erforderliche Detaillierungsgrad richtet sich nach dem Umfang sowie der Entscheidungsbefugnis der beteiligten Interessengruppen und wird massgeblich durch die festgelegten Systemgrenzen bestimmt. Die Granularität kann dabei von einem allgemeinen Überblick bis hin zu äusserst detaillierten Einblicken in das System reichen. Im Folgenden werden Beispiele für relevante Modell-Inputs auf unterschiedlichen Granularitätsstufen dargestellt:
Niedrige Granularität
- Gesamtenergieverbrauch des Rechenzentrums pro Jahr
- Umweltauswirkungen des Energiemixes
- Eingebettete Emissionen der Hardware
Mittlere Granularität
- Nutzungsebene: Standort, Nutzungszeit, Service-Level-Agreement (SLA)
- Anwendung/Hypervisor: Einstellungen zur Datenredundanz
- Rechenzentrum: Energieeffizienz (PUE), Hardwaretyp, Kältemittel, Gebäudeinfrastruktur, Wasserverbrauch, Energiequellen (Zeit, Standort, Stromabnahmeverträge)
- Eingebettete Emissionen der Hardware
Hohe Granularität
- Berechnung: Durchschnittlicher/minimaler Stromverbrauch (Watt), vCPU-Auslastung, Berechnungsstunden
- Speicher: Redundanzfaktoren, Energie für Speicheroperationen
- Speicher: RAM-Auslastung, latenzbedingter Energieaufwand
(Hinweis: Diese Liste ist nicht vollständig und hängt von der Komplexität des Systems ab.)
3. Systemauswertung und -verbesserungen
Sobald die wichtigsten Designparameter bestimmt sind, identifiziert die Analyse nicht nur die Umweltauswirkungen einzelner Softwaredienste, wie etwa einzelner Daten-Uploads: In der Folge können nun auch konkrete Verbesserungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Diese Erkenntnisse ermöglichen die Entwicklung innovativer Strategien zur Reduzierung des Energieverbrauchs und damit des ökologischen Fussabdrucks digitaler Produkte.
Einige Beispiele für mögliche Massnahmen in Bezug auf Designparameter:
- Verfeinerung der Datenverwaltungsstrategie zur Minimierung des Redundanzbedarfs
- Nachfragesteuerung integrieren, also wenn möglich, grössere Rechenaufträge dann auszuführen, wenn die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen hoch ist
- Leichtgewichte Container anstelle von vollständigen virtuellen Maschinen verwenden
- Wahl der Architektur mit Ecodesign im Hinterkopf
- Einige Berechnungen auf Edge-Geräte verlagern, die näher am Endbenutzer sind
- Indexierungs-, Caching- und Redundanzstrategien optimieren
- Code-Effizienz optimieren, um die Rechenlast zu reduzieren
Die Anwendung solcher Massnahmen kann einerseits Vorteile in Bezug auf die Umweltauswirkungen bringen, aber andererseits auch Kosten in Form von längeren Entwicklungszeiten oder einer geringeren Leistung verursachen. Daraus ergibt sich eine zentrale Aufgabe der Entwicklungsteams, die sich Ökodesign verschreiben: Sie unterstützen die Softwareentwicklung dabei, die sinnvollsten Ökodesign-Massnahmen zu priorisieren. Dabei gilt es, diejenigen mit dem günstigsten Kosten-Nutzen-Verhältnis für die Umwelt auszuwählen.
Zusammenfassung: Ecodesign ermöglicht eine nachhaltigere digitale Zukunft
Die Prinzipien des Ecodesigns, die traditionell auf physische Produkte angewendet werden, eignen sich auch dazu, die Umweltauswirkungen digitaler Produkte wie Software und Cloud-Dienste erheblich zu reduzieren. Dieser Aspekt wird immer relevanter, als die wachsende Nachfrage nach digitalen Diensten etwa in Bereichen der Datenspeicherung oder KI-gestützten Tools einen erhöhten Stromverbrauch nach sich zieht – insbesondere in energieintensiven Rechenzentren. Ein strukturierter Ecodesign-Ansatz umfasst die Identifizierung der wichtigsten Faktoren für die Umweltauswirkungen, die Analyse relevanter Parameter wie Datenübertragung oder Rechenzeit und die Umsetzung gezielter Verbesserungen. Beispielsweise die Techniken des Screening LCAs und der parameterbasierten Analysen ermöglichen hier umsetzbare Erkenntnisse: Diese helfen, Energieeffizienz zu optimieren, Emissionen zu reduzieren oder auch stärker erneuerbare Energien zu nutzen. Helbling hat diese Prinzipien erfolgreich in seine Projekte integriert und dadurch in verschiedenen Branchen nachhaltige Ergebnisse erzielt.
Autoren: Lukas D’Olif, Jonathan Demierre, Adrian Roth
Hauptbild: AdobeStock